Auch das abgespeckte " Gerippe" der Karte brauchen wir nicht.
Wir haben eine neue Regierungskoalition und der neue Gesundheitsminister Rösler vertritt eine Partei, die vor der Wahl die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte klar abgelehnt hat. Durch gescheiterte Tests, aber ganz klar auch durch den immer größer werdenden Protest einer kritischen Öffentlichkeit, ist der e-Card Dampfer ganz schön auf Grund gelaufen.
Und nach der Wahl? Was kommt jetzt?
Auf Druck des Spitzenverbandes Bund der Kassen, der IT-Industrie , des Gesundheitsministeriums in NRW und mit kräftiger Unterstützung des ärztlichen „Selbstverwaltungsapparates“ in KBV und Bundesärztekammer soll das e-Card Projekt mit Unterstützung des neuen Gesundheitsministeriums weiter gehen. Die „medizinischen“ Anwendungen wie elektronische Patientenakte und elektronisches Rezept wurden ganz nach „hinten“ geschoben, kommen sollen erst mal 4 Dinge:
Die neue Chipkarte mit Versichertenfoto. Die „online-Stammdatenaktualisierung“ der Versichertenkarten in den Arztpraxen mit verpflichtender Onlineanbindung. Der sogenannte „Notfalldatensatz auf der Karte“. Und der elektronische Arztbrief.
Donnerstag, 4. März 2010
Stoppt die e-Card, endgültig!
Wird die Versichertenkarte sicherer durch das Foto auf der Karte?
In Zukunft sollen die Ärzte in den Praxen die rechtliche Verpflichtung zur Prüfung der Leistungspflicht der Kassen bekommen anhand des Fotos auf der Karte. Aber ist dieser neue „Ausweis“ so sicher, dass man daran die Leistungspflicht prüfen kann? Die Einführungsorganisation für die e-Card, genannt „gematik“, hat im Sicherheitskonzept festgelegt, dass die Krankenkassen die Identität des Versicherten anhand des vorgelegten Fotos selbst prüfen müssen. Geschieht dies? Keine einzige Kasse, welche die neuen Karten ausgeben will (passiert ist da noch nicht viel) hält sich an diese Vorschrift. Die Karten werden nicht identitätsgeprüft ausgegeben, sodass die neuen Karten unsicherer sind als jeder Angelschein in Deutschland. Also Missbrauchsschutz und Identitätsprüfung durch die neue Karte? Gleich null.
Sollen sich die Arztpraxen in Außenstellen der Krankenkassen verwandeln lassen? Sollen wir deren Verwaltungsarbeit erledigen?
Was ist mit „ Onlinestammdatenaktualisierung“ in den Praxen gemeint, welche die Kassen uns Ärzten aufzwingen wollen? Bisher ist das die Verwaltungsarbeit der Krankenkassen. Neue Karten ausstellen, oder auf dem Chip ändern ( geht jetzt auch schon teilweise) falls der Versicherte geheiratet hat, Namenswechsel, Umzug, Statuswechsel von Schüler zu Auszubildendem, Versichertem zu Rentner etc. Diese Verwaltungsarbeit wollen die Krankenkassen gerne, ohne dafür zu zahlen, an die Arztpraxen abwälzen. Und wie soll das gehen?
Auf Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wird allen Arztpraxen folgendes Szenario zugemutet:
Am Tresen stehen 2 spezielle Kartenlesegeräte. Eines ist für die online Anbindung an einen Zentralrechner in der zu schaffenden „Telematikinfrastruktur“ (TI) gedacht“. In diesen Zentralrechner müssen alle Kassen dann die „Stammdaten“ ihrer Versicherten aktuell eingeben. Die Arztpraxen müssen dann bei Eintreffen des Versicherten in der Praxis die neue Karte erst online über die Verbindung zum Zentralrechner „aktualisieren“ lassen. Wie lange das dauert interessiert unsere Technokraten nicht weiter, sie müssen ja nicht darauf warten, wie lange es in ländlichen Gebieten ohne schnelle DSL Leitungen dauert bis nach Minuten die Antwort kommt.
Anschließend muss die Versichertenkarte dann ein zweites Mal in das Kartenlesegerät des Praxisrechners eingegeben werden (dieser Vorgang dauert jetzt nur 0,3 sec mit der alten KVK). Was das neue online Szenario die Praxen kostet, diese online Verwaltungsarbeit mit Tausenden von Euros einzuführen, die „ Leitungskosten“, die Schlangen vor dem Tresen, die Dramen bei Systemabstürzen (siehe Österreich), die Unmöglichkeit, Kranke in diesem Fall komplikationslos sofort zu behandeln! Wen interessiert`s. Was es für die Privatsphäre der Menschen bedeutet, wenn solche sensiblen Daten wie Zuzahlungsstatus, Mitglied bei DMP Diabetes oder Mammacarcinom übers Internet in den „Stammdatenrechner“ wandern, scheint auch unerheblich zu sein.
Es gibt schon längst die Aktualisierung mit der Veraxliste, offline!
Völlig totgeschwiegen wird augenblicklich von Seiten der Kassen und KBV dass es die quartalsweise Aktualisierung der Versichertendaten ja schon längst gibt in Form der 2005 von der Techniker Kasse (für alle) entwickelten „Veraxliste“ die alle Arztpraxen schon seit Jahren quartalsweise offline“ mit den Updates auf ihre Rechner bekommen (ohne Zusatzkosten!!!) und die jetzt schon melden, wenn eine Karte abgelaufen ist! Schon 2005 hat die Techniker Kasse
angegeben, damit 40 Millionen Euro eingespart zu haben.
Wir sehen also, diese Funktion gibt es schon längst so dass eines völlig klar geworden ist: es geht nicht um Einsparungen von Versichertengeldern, es geht in Wirklichkeit einzig und alleine darum: Die Kassen wollen selbst die Versorgung steuern. Die Kassen wollen, dass alle Arztpraxen am Netz hängen. Die ausführlichen Daten (e-Akte) sollen raus aus den Praxen rein in Zentralserver. Das kommt dann alles später, der Protest war zu groß, erst mal Schritt für Schritt, und ordentlich Sand in die Augen streuen!!!
Der Notfalldatensatz auf der Karte.
Was ist ein Notfalldatensatz? Eine elektronische Patientenakte in Kleinformat. Da steht dann: Mensch hatte mal eine Thrombose wegen einer angeborenen Gerinnungsstörung, eine Allergie auf ein Medikament welches üblicherweise nur bei sexuell übertragbaren Krankheiten gegeben wird, oder ein AIDS Medikament, alles auslesbar ohne dass Mensch seine PIN Nummer eingeben muss. Sicher eine „super“ Idee, diese sensiblen Daten auf der verpflichtenden Versichertenkarte herum zu tragen die man überall vorzeigen muss. Wer möchte das haben? Zumal in einem akuten Notfall niemanden interessiert, ob bei einem anaphylaktischen Schock die Ursache eine Penicillinallergie oder etwas anders ist, behandelt wird immer gleich. Alle diese Daten sind schnell, ohne Lesegeräte und international lesbar in vielen Sprachen auf einem kleinen Notfallausweis auf Papier absolut besser aufgehoben.
Die e-Card ist nämlich eine komplett deutsche „Insellösung“!!! Im Ausland nicht zu gebrauchen. Müßig zu erwähnen, dass der Notfalldatensatz in den bisherigen Tests schon kläglichst gescheitert ist. Dass man jetzt trotzdem am „Notfalldatensatz“ festhält ist wohl eher der Tatsache geschuldet, dass das e- Card- Gerippe nicht nur aus nichts außer Bürokratiearbeit für die Ärzte bestehen sollte. War zu peinlich.
Wenn doch das e Card Projekt bisher so kläglich gescheitert ist, warum kommt es trotzdem?
Die e Card kommt, weil die IT Industrie mit einer starker Lobbymacht, die Kassen, die KBV, und der „Bundesärztekammerapparat“ es so wollen. Das ist umso erstaunlicher, weil diese Organisationen zusammen mit anderen in der gematik vertretenen Dezember 2009 über das ganzen Projekt ein vernichtendes Urteil ausgesprochen hatte. Sie beschrieben das Scheitern der Tests, ich zitiere:
„Ursächlich waren u. a. inakzeptable Zeitverzögerungen im Praxisbetrieb (Versichertenstammdaten), unzulängliche Prozesse (eRezept) sowie ungeeignete inhaltliche Festlegungen (Notfalldatensatz). Der geplante Dienst Mehrwertkommunikation der Leistungserbringer“, der u. a. die Übertragung elektronischer Arztbriefe ermöglichen würde, weist durch nicht praxistaugliche Vorgaben seitens der gematik bereits in der Konzeption gravierende Mängel auf (u. a. zum Betreibermodell). Verbesserungen der Anwendungen, die aus den Erfahrungen hätten resultieren müssen, wurden auf Grund des vorgegebenen Zeitdruckes nicht umgesetzt.“
aus :“Eckpunkte einer Neuausrichtung der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur“ (BÄK,BZÄK,KBV,KZBV,DKG,DAV) Berlin 11.12.2009
Vertrag KBV- Spitzenverband Bund der Kassen zur Onlineanbindung aller Praxen
Trotzdem halten KBV und BÄK weiter sklavisch an der e- Card Einführung fest, die KBV als „ Unterbehörde“ des Ministeriums, KV Nordrhein und Bundesärztekammer mit multiplen Verbindungen zu Industrie und Gesundheitswirtschaft.
Im April 2008 hat die KBV einen Vertrag (Bundesmantelvertrag Ärzte 22.4.2008) mit dem Spitzenverband Bund der Kassen abgeschlossen, der besagt: Wir als Praxisärztinnen und Ärzte müssen uns online anbinden (zwangsweise, nicht freiwillig) müssen die Prüfung der Leistungspflicht der Kassen anhand ungeprüfter Fotos vornehmen und sollen, falls keine gültige e-Karte vorgelegt wird, vom Patienten Vorkasse verlangen, dieses Geld aber sofort zurückzahlen wenn danach die gültige e Card vorgelegt wird. Grandios. Man handelt sich als Arzt natürlich mit diesem neuen Modell auch Regressverpflichtungen seitens der Kassen ein, wenn von uns für den Versicherten veranlasste Leistungen sich anschließend als nicht berechtigt heraus stellen! Dann sind wir haftbar! Und das ist alles neu, das gab es bisher nicht!
Wenig überraschend ist, dass der deutschen Kassenärzteschaft dieser Vertrag nicht bekannt gemacht wurde!!!
Welche Rolle spielt die Bundesärztekammer?
Die Bundesärztekammer investiert seit Jahren viel (von unserem) Geld in das „ Telematik“ Projekt. Erstaunlich genug, kennen wir doch von Seiten der BÄK seit vielen Jahren das Argument, dass die Ärztekammer mit dem Thema „ ärztliche Praxen und deren Probleme “ angeblich nichts zu tun habe ( das Thema ist „ igitt“) bei der Telematik aber ist der BÄK nichts zu teuer und nichts zu aufwändig. Just zum 1.1.20010 wurde nach mehreren Jahrzehnten das
erste Mal wieder ein neues „ Dezernat“ bei der BÄK mit unseren Ärztekammerbeiträgen eingeführt. Der neue DEZERNENT wird von weiteren 4 Referenten unterstützt, der neue Dezernent im Interview: keine andere Einrichtung der Selbstverwaltung sei im Moment hier so „gut aufgestellt“. (in finanzieller und personeller Hinsicht) Im gleichen Interview kündigt er an, dass auf einem nächsten Ärztetag extra die Musterberufsordnung für Ärzte wegen des bisherigen Verbots der „Fernbehandlung“ für Ärzte auf Wunsch der „ Deutschen Gesellschaft für Telemedizin“ ( Industrielobby) geändert werden soll.(EHEALTHCOM1-2010) Toll, wir sehen also, auf wessen Wunsch Musterberufsordnungen für Ärzte geändert werden!
Täuschung der Ärzteschaft
Mit dem Argument der ( nach dem Bundesmantelvertrag Ärzte 2008 für Kassenärzte nicht bestehenden) „ Freiwilligkeit der online Anbindung“ sind die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein getäuscht und zum Kauf der neuen Kartenlesegeräte überredet worden!
Die Ärztinnen und Ärzte haben auf dem 11. Deutschen Ärztetag folgendes beschlossen, nach 7 stündiger Diskussion und gegen den Willen der Bundesärztekammer:
„Eine bundesweite Telematikinfrastruktur mit der verpflichtenden Online-Anbindung und der Speicherung von Krankheitsdaten in einer zentralen Serverstruktur wird abgelehnt: Eine Neukonzeption des gesamten Projektes ist erforderlich“.
(Positionspapier Telematik im Gesundheitswesen 2008)
Und das ist es, was wir erkämpfen müssen. Nicht nur gegen den Goliath aus Industrie und Kassen, auch mit Sicherheit gegen unsere vermeintlichen „Standesvertreter“ in BÄK und KBV. Aber außer uns wird es niemand tun.
Die Bremer Ärzteschaft hat vor Kurzem als ein gutes Beispiel von Zivilcourage einmütig mit einer Unterschriftenaktion der KV Spitze untersagt, Verhandlungen über die Finanzierung der online- fähigen neuen Kartenlesegeräte mit den Kassen zu führen. Damit liegt das Projekt dort auf Eis.
Die Heilbronner „Testregion“ hat jetzt ihre gesamte Tätigkeit für das Land Baden-Württemberg aufgekündigt! In Hamburg haben Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, KV, Patientenverbände und Aktion „ Stoppt die e Card“ gemeinsam 2008 Hamburg zur „ e- Card freien Zone“ erklärt, in Nordrhein gab und gibt es viele Aktionen gegen die Einführung der „ Karte“. Unter anderem musste der die e- Card forcierende KV Vorstand unter Hansen zurücktreten. Wir sehen,
Widerstand ist doch möglich.
Keine zwangsweise online Anbindung,
die Kassen können für ihre „ Kunden“ die Daten selbst managen und in ihren Geschäftsstellen aktualisieren wie bisher,
die unsicheren Chipkarten mit ungeprüften Fotos sind überflüssig und Geldverschwendung,
für e- Arztbriefe braucht man keine bundesweite Telematikzwangsstruktur.
Keine elektronischen Patientenakten in Zentralservern!
e- Card Projekt einstampfen, 14 Milliarden Euro sparen.
Dr. med. Silke Lüder
Aktion „ Stoppt die e- Card“
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