Ein Beitrag von Dr. Klaus Günterberg, Gynäkologe aus Berlin und langjähriger fundierter Kritiker des "E-Health"- Hypes, zu einem Artikel im Berliner Tagesspiegel
Ausgangsbeitrag hier:
http://www.tagesspiegel.de/wissen/digitale-medizin-therapie-mit-daten/20067364.html
Kommentar von Klaus Günterberg:
Gesundheitsdaten besser schützen
Daten heilen nicht! Ärzte und die
anderen Mitarbeiter des Gesundheitswesens heilen mit Medikamenten, mit
Eingriffen, mit verschiedenen Hilfsmitteln, auch mit ihren Händen und Worten –
nicht mit Daten. Daten sind aber wichtige Quellen zur besseren Diagnostik und
Behandlung, auch für die Wissenschaft und für neue, bessere Medikamente.
Gesundheitsdaten sind inzwischen aber auch zur gewinnbringenden Ware geworden.
Wir sollten deshalb bei allen Forderungen nach Investitionen auch prüfen, ob
sich dahinter nicht auch bestimmte materielle Interessen verbergen.
Wir sollten vor allem nie
vergessen, dass das Vertrauen in die ärztliche Schweigepflicht (juristisch:
Datenschutz) wichtigste Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens
ist. Die Vernetzung sämtlicher Krankenhäuser und die Vernetzung auch aller ambulanten
medizinischen Einrichtungen (Synonym: elektronische Gesundheitskarte) mit den Daten
aller 82 Millionen Bundesbürger aber enthält ein enormes Missbrauchpotential:
Es arbeiten in Deutschland ca. 4 Mio. Menschen im Gesundheitswesen, ca. 2
Millionen davon hätten Zugriff auf die Daten. Eine vernetzte Datei derartigen
Ausmaßes ist vor Fremdzugriffen kaum und vor unberechtigten Zugriffen von innen
(durch sog. Innentäter) nicht mehr zu schützen! Deshalb die Skepsis, das
Misstrauen der Bürger in anderslautende Versprechungen.
Bisher völlig unbeachtet, in
Ihrem Beitrag auch nicht erwähnt: Jeder Bürger hinterlässt beim Arzt auch seine
Berufstätigkeit, seine Adress- und Kontaktdaten. Viele Bürger (bspw. Führungskräfte
der Politik und der Wirtschaft, Richter, Staatsanwälte, Justizvollzugsbeamte,
Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, wozu auch Journalisten (!) gehören)
haben aber ein berechtigtes größeres Interesse, sowohl ihre Gesundheits- wie
auch ihre Kontaktdaten geheim zu halten.
Sollten wir alles tun, was der
Fortschritt möglich macht? Oder nur das, was ethisch geboten ist? Daten für die
Wissenschaft, für eine bessere Medizin – ja. Mit der Vernetzung der medizinischen
Einrichtungen aber entstehen auch neue, bisher völlig unbedachte (oder verschwiegene?)
Gefahren für die Bürger; deshalb ist die Vernetzung die rote Linie, die man
nicht überschreiten sollte. Klaus Günterberg.
Publiziert: Der Tagesspiegel. 23.7.2017