Ein Kommentar von Michael Loewener, Niedersächsisches Zahnärzteblatt 3 -2017
Wer das 10-seitige und 12 Punkte umfassende Papier der
CDU zur E-Health-Strategie in Deutschland in vollem Umfang liest, dem wird die
alternative Zielrichtung der Initiative „junger“ CDU-Politiker nicht verborgen bleiben.
Wie derzeit auf allen gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Ebenen,
so steht zunehmend auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens auf der
Agenda der Politik.
Nun
mag man sich fragen, wer Nutznießer des digitalen Fortschritts sein wird, dicht
gefolgt von der Frage, ob der zu erwartende Aufwand in einem sinnvollen und
angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen wird. Auf den ersten Blick, und das
lassen auch die Statements des CDU-Nachwuchses erkennen, sollen digitale
Segnungen den Patienten zugute kommen, beispielsweise durch schnelleren und
umfänglicheren Austausch von Gesundheitsdaten bis hin zur Online-Beratung. Das
macht natürlich insbesondere dort Sinn, wo zukünftig mit geringerer ärztlicher
Versorgung zu rechnen ist.
Digitale Fremdbestimmung
„Mit
E-Health den Weg zum selbstbestimmten Patienten ebnen“, frohlocken die Autoren.
Prima, möchte man meinen – der Patient erhält seine Patientenakte in digitaler
Form und kann sie nach Belieben einsehen und demjenigen überlassen, der sein
Vertrauen besitzt. Das wäre Selbstbestimmung, während alles Weitere eher unter
Fremdbestimmung einzuordnen wäre. Ärzte und sonstige Behandler können
Informationen im Bedarfsfall digital austauschen. Das funktioniert, ebenso wie
mit dem Datenaustausch ganzer Videos, schnell und komplikationslos und auf
direktem Wege – übrigens auch jetzt
schon. Dafür bedarf es weder der Einführung komplexer und hochpreisiger Hardware,
noch eines allumfassenden Verbundes oder gar der Schaffung einer zentralen Behörde.
„Nutzerorientierte
und qualitätsgeprüfte Instrumente auszubauen“, wie z. B. die „Gesundheitsinformationen“
des IQWIG, fordern die CDU-Dynamiker in ihrem Papier und verdeutlichen damit
die Forderung nach Zentralisierung und politischer Steuerung.
Angesichts
eines steigenden Pflegebedarfs soll der Pflegebereich an die Telematikstruktur
„schnell angebunden“ werden, lautet eine weitere Forderung. Ganz sicher wäre
dem Pflegebedürftigen mit einem größeren Zeitkontingent für einzelne Handgriffe
des Pflegepersonals mehr gedient als mit digitaler Zeitkontrolle. Und eine
deutlich wertschätzendere Entlohnung bei zusätzlich verbesserter personeller
Ausstattung wäre eine ernsthafte Alternative zur Digitalisierung um jeden
Preis.
Datenschutz lässt sich ebenso wenig steuern wie die Wetterlage
Ziel
müsse es sein, so fabulieren die Autoren weiter, alle Akteure im
Gesundheitswesen miteinander zu vernetzen und einen sicheren und schnellen Datentransfer
zu ermöglichen. Zweifellos schnell, aber keinesfalls sicher, wie uns
Datenschützer und Lebenswirklichkeit versichern.
Die
Christdemokraten wollen im Rahmen einer
modernen Versorgung im ländlichen Bereich die Versorgung durch Telemedizin
sicherstellen, vergessen allerdings, dass der Arzt und der Notfallmediziner vor
Ort unverzichtbar bleiben, und sie verdrängen, dass die Landflucht des medizinischen
Personals auch durch Bürokratie und Honorarpolitik bedingt ist. Was Patienten
als Fortschritt verkauft wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Produkt
einer verfehlten Budget- und Honorarpolitik.
Und
schließlich feiern die Autoren die Einbindung
von Dingen, auf die die Menschheit seit jeher gewartet hat – Gesundheits-Apps,
Wearables und self-tracking.
Digitalwirtschaft in Partylaune
Erst
unter Punkt 6 nähern sich die Digitalromantiker ihrem möglichen Kernanliegen. Da
ist dann von „großen wirtschaftlichen Chancen“, von „Marktzugang“ und von
„Gesundheitswirtschaft“ ebenso die Rede wie von „Gründerkultur“. Man macht sich
stark für „klare Vergütungskriterien“ für „ junge Start-up-Unternehmen“ und
deren Förderung durch „leichteren Zugang zu Beteiligungsfinanzierungen oder
steuerliche Vergünstigungen“.
Ganz
böse Menschen könnten nun auf den Gedanken kommen, dass es neben dem Wohl des
Patienten weitere und für den einen oder anderen wichtige Gründe gibt, der
Digitalwirtschaft das Wort zu reden und sie nach Kräften zu befördern. Auf
jeden Fall dürfte sich der „Digitalverbund
Deutschlands“, der mehr als 2.400 Unternehmen der digitalen Wirtschaft mit
einem Jahresumsatz von ca. 140 Milliarden Euro vertritt, auf wunderbare Zeiten
freuen.
Dr.
Michael Loewener, Wedemark (mit freundlicher Genehmigung des Autors)