PatientInnenverbände fordern Moratorium und umfassende Aufklärung
Vor dem Hintergrund der jüngsten Datenskandale im Gesundheitswesen hat ein breites „PatientInnenbündnis e-Card” in einem Aufruf acht Forderungen zur geplanten Einführung der elektronischen Gesundheitskarte formuliert.
Vor der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte muss garantiert sein, dass die folgenden 8 Forderungen zugunsten der Versicherten erfüllt sind:
- Sicherstellen des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und PatientIn.
- Garantie der ärztlichen Schweigepflicht.
- Prüfung alternativer (nicht)elektronischer Möglichkeiten.
- Uneingeschränkte Freiwilligkeit der Datenspeicherung.
- Uneingeschränkte Einsichtsmöglichkeit in Krankenakten, Daten und deren Verwaltung.
- Einfache Handhabung der e-Card.
- Das Recht auf eine unvoreingenommene ärztliche Zweitmeinung.
- Gewährleistung absoluter Datensicherheit.
Viele grundlegende Fragen zur eGK sind bisher aber noch ungeklärt:
- Wie sicher sind die gespeicherten Daten vor Fremdnutzung (s. die jüngsten Datenmissbrauchs-Skandale!)?
- Können die PatientInnen selbst über Eingabe, Nutzung, Zugriff, Weiterreichung und Löschung ihrer Patientendaten bestimmen?
- Welchen Einfluss wird diese Karte auf das Arzt-Patienten- Verhältnis haben?
- Wer kommt für die Kosten in Milliardenhöhe auf?
Besonders problematisch: Die freiwilligen Funktionen
Die eGK wird nur Einsparungen bringen können, wenn sich ein Großteil der Versicherten auch an den sog. freiwilligen Funktionen der eGK beteiligt, wie z.B. die Datenspeicherung von Laborbefunden, Diagnosen, Krankheitsgeschichten. Gerade damit werden riesige Datensammlungen über einen Großteil der Bevölkerung entstehen, die zentral zugänglich und auswertbar sind.
Dieses bestätigt auch ein Gutachten (von Booz-Allen-Hamilton) im Auftrag der gematik. Brisant daran ist, dass es vom Auftraggeber unter Verschluss gehalten und erst vom ChaosComputerClub öffentlich gemacht wurde.
Das komplette Gutachten ist nachzulesen unter: www.ccc.de/crd/whistleblowerdocs/20060731-Gesundheitstelematik.pdf.
Wenn dieses „Nutzenpotential“ darin besteht, Patientendaten als Handelsware anzubieten, ist für breite Aufklärung höchste Eile geboten!
Aber auch die technische Umsetzung ist noch unausgegoren. Beispielsweise ist die eGK in Schleswig-Holstein im Testgebiet Flensburg durchgefallen, da viele PatientInnen und ÄrztInnen sich die PIN-Nummer nicht merken konnten.
„Unklar ist vor allem, wie alte Menschen und Behinderte die Karte nutzen sollen, der Umgang ist ja nicht gerade einfach“, so Peter Friemelt von der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP).
Aus all diesen Gründen fordert das Patientenbündnis e-Card ein Moratorium der eGK und eine breite öffentliche Informationskampagne: „Die Patienten sollten ausreichend Bescheid wissen und dann mitentscheiden, bevor man so eine weit reichende Veränderung einführt“, betont Heidrun Loewer von gesundheit aktiv.
Hierzu wurde ein Aufruf (siehe Anlage) mit den 8 Forderungen erstellt, der bei den Beteiligten und auf ihren Webseiten erhältlich ist.
Das PatientInnenbündnis e-Card besteht derzeit aus
Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen BAGP, Bundesverband der Frauengesundheitszentren e.V., Dt. Patientenschutzbund, gesundheit aktiv. anthroposophische heilkunst e.v., Gesundheitsläden in Bielefeld, Bremen, Köln und München, Selbsthilfezentrum München, Unabhängige Patientenberatung Tübingen.
Die Aktion wird unterstützt von
„Stoppt die e-Card“, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V., Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland e.V., Vorstand Selbsthilfekontaktstellen Bayern e.V., Seko Selbsthilfekoordination Bayern, Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte und Einzelpersonen.
Ansprechpartner
Peter Friemelt, Gesundheitsladen München e.V., Waltherstr. 16a, 80337 München, peter.friemelt@gl-m.de, Tel. 089/ 76 75 55 22 Heidrun Loewer, gesundheit aktiv. anthroposophische heilkunst e.v., J.-Kepler-Str. 56, 75378 Bad Liebenzell, loewer@gesundheitaktiv-heilkunst.de, Tel. 07052/ 93 01 0
Diese Presseerklärung, das Merkblatt mit den acht Forderungen, und ein Musterbrief an GesundheitspolitikerInnen ist auch als Download verfügbar.