Hamburg (ddp). Wir alle haben es in den Medien gelesen: Zwielichtige Unternehmen haben illegal Millionen von Bankdaten verschachert - und sich damit eine goldene Nase verdient. Zurück bleiben die geprellten Verbraucher, die nun ihre vermeintlich sicheren Daten in Händen sehen, in die sie nie gelangen sollten.
Kontonummer, Bankleitzahl. Schlimm genug, wenn diese Daten in unbefugte Hände geraten. Doch was, wenn dies auf einmal mit Krankendaten geschähe? Was, wenn auf einmal halbseidene Firmen wüssten: Herr X hat Krebs, Frau Meyer AIDS, der kleine Peter psychische Probleme? Aller Versicherungen zum Trotz: Diese Gefahr besteht. Gefördert durch ein Projekt, das uns allen als die bahnbrechende Revolution im Gesundheitswesen verkauft wird: die elektronische Gesundheitskarte.
Die Schalmeienklänge von den Milliarden-Einsparungen, die diese Karte bringen soll, glauben nicht mal mehr die Naivsten. Der Grund für das Projekt ist ein ganz anderer: Die E-Card kommt, weil es die Gesundheitswirtschaft so will. Sie freut sich schon heute auf die „kommerziellen Mehrwertanwendungen”: Datenverkauf, Auswertungen für Pharmaindustrie, Medizintechnik, etc. etc.
Doch damit nicht genug. Es braucht wenig Fantasie, um sich auszumalen, dass nicht schon bald sensible Krankendaten mit Bank- oder Kreditdaten zusammengeführt werden. „Unmöglich, Hirngespinste”, wer das sagt, möge folgende Frage beantworten: wenn von jedem gesetzlich oder privat Versicherten auch die sensibelsten Krankendaten einmal zentral auf Computern zusammengeführt sind: Wer garantiert uns, dass nicht durch einfache Gesetzesänderungen auf einmal Menschen oder Unternehmen Zugang dazu erhalten, von denen früher nie die Rede war? Ganz zu schweigen von illegalen Zugriffen - wie eben jüngst mit Daten aus den zentralen Melderegistern geschehen. Von denen hätte auch niemand gedacht, dass sie die Amtsstuben der Meldebehörden überhaupt je verließen.
Patientendaten liegen heute allein in den Arztpraxen und wecken so nicht die Begehrlichkeiten, wie es ein Datenberg im Internet täte. Das vertrauensvolle Arzt-Patientenverhältnis ist immer noch der beste Schutz gegen die Offenlegung der Daten Dritten gegenüber gewesen.
Wir als Ärzte sagen: Moderne Technik ja, aber nicht so. Es geht hier nicht um Technikfeindlichkeit. Wir wehren uns nur gegen ein System, das uns von Anfang an von oben aufgezwungen wird - und das an unserem vertrauensvollen Patientenverhältnis genauso nagt, wie es praxisfern und untauglich ist.
Der Deutsche Ärztetag als Parlament aller deutschen Ärzte 2008 hat das Projekt in der bisherigen Form mit großer Mehrheit abgelehnt. Es ist frustrierend zu sehen, dass es einzelne Ärzte-Funktionäre gibt, die trotzdem als Lobbyisten dieses Projektes auftreten. Das aber ändert an der breiten Ablehnung durch die Ärztebasis und zunehmend immer mehr Patientenverbänden und Bürgerrechtsgruppen nichts. Bis heute sind 387 870 Unterschriften gegen das E-Card-Projekt bei uns eingegangen.
(Dr. med. Silke Lüder ist Fachärztin für Allgemeinmedizin in Hamburg und Sprecherin der Aktion „Stoppt die e-Card”)
Quelle: ddp / Facharzt.de 6.9.2008