Freie Liste Mueller ist eine Initiative für Datenschutz im Gesundheitsbereich. Sie nutzt die Sozialwahlen 2011, um ein bürokratisches Monster zu verhindern. Es wird von seinen Befürwortern "Telematik-Infrastruktur" genannt. Ein wesentliches Mittel dieser "Telematik-Infrastruktur" ist die noch immer geplante "Elektronische Gesundheitskarte", EGK.
Freie Liste Mueller hat eine Kandidatenliste aus 13 Personen für die Wahl zum Verwaltungsrat der Techniker Krankenkasse (TK) aufgestellt. Für diese Kandidatenliste sammelt "Freie Liste Mueller" seit dem 20. August Unterschriften von Mitgliedern dieser Krankenkasse. Es werden 2000 Unterschriften gebraucht, um kandidieren zu dürfen. Das Formular zum Unterschreiben muss von der Internet-Seite der Initiative heruntergeladen und ausgedruckt werden. Anschliessend muss man das Formular ausfüllen, es zwei mal unterschreiben, und an die Post-Anschrift der Initiative senden. Porto und Briefumschlag muss man selbst investieren. Die Hürden sind hoch. Die Initiative ist zuversichtlich, sie in kurzer Zeit zu nehmen. Sie wird dann Listen bei weiteren Krankenkassen aufstellen. Kandidaten dafür gibt es schon. Bis 18. November 2010 müssen Kandidatenlisten mit allen Unterstützungsunterschriften bei den Krankenkassen eingereicht werden. Die Wahl ist am 1. Juni 2011.
Wer ist "Freie Liste Mueller"?
Die meisten der 13 TK-Kandidaten sind Profis der Informationstechnik. Ferner ist ein Arzt vertreten, und zwei Mitarbeiter von Patienteninitiativen.
Von den sieben Gründungsmitgliedern des Vereins kamen fünf als ehrenamtlich Aktive aus diesen Non-Profit-Organisationen:
- Forum InformatikerInnen für Frieden und Gesellschaftliche Verantwortung (FIFF)
- Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AKV)
- BioSkop – Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologien
Auch die andern beiden Gründungsmitglieder sind ehrenamtlich aktiv, aber nur in der "Freien Liste Mueller", sonst nirgends.
Man kann sich im Internet als Interessent oder Aktiver registrieren. Bisher sind wir rund 50 Menschen. Alle Unterstützer sind versichert in gesetzlichen Krankenkassen. Die Mehrheit der Gründer sind übrigens Mitglied in DGB-Gewerkschaften. (Die Gewerkschaften sind unsere einzigen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten bei den Sozialwahlen.)
"Freie Liste Mueller" ist eine der 34 Mitgliedsorganisationen des Bündnisses "Stoppt die E-Card".
Warum ist Freie Liste Mueller gegen die geplante Telematik-Infrastruktur?
Die Nutzung dieser Infrastruktur ist für Patienten nur teilweise freiwillig, für Ärzte gar nicht. Sinn der Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur ist, neue Behandlungsformen zu ermöglichen. In denen Bürokratien wichtiger sind, als bisher. Unter dem Schlagwort "Shared Care" sollen unterschiedliche Institutionen auf die selben Daten zugreifen. Call-Center der Krankenkassen, Medizinische Versorgungszentren mit ihren angestellten Fachärzten, sowie Kliniken und Einzelpraxen. Die Steuerung dieser Dienstleister durch "Fall-Manager" der Krankenkassen ist geplant. Da gewisse Angebote mit der Telematik-Infrastruktur viel besser nutzbar sein werden, wird schnell sozialer Druck entstehen, der zentralen Datenhaltung zuzustimmen. Heutige Planungen setzen schon den Zugriff auf die Gesundheitsakte der Telematik-Infrastruktur voraus: Hausarztmodelle, Programme für Diabetiker oder Krebskranke, Planungen für günstigere Tarife der Krankenkassen. Unsere Krankheitsdaten werden in zentralen Servern gespeichert, auf die der Zugriff für den Einzelnen nicht zu kontrollieren ist. Kein Arzt darf es zulassen, dass ein Patient ein paar Seiten aus seiner Krankengeschichte löscht. Das wird auch gelten für die Gesundheits-Daten in der Telematik-Infrastruktur. Sonst macht sie keinen Sinn.
Das wäre ein Schritt zum Leben, das aus der Akte gesteuert wird. Angeblich bestimmen nicht unser Wille und unsere Entscheidungen unser Leben. Sondern: Gene, Risikofaktoren, eingefahrene Muster, unbewusste Motive. Das sind zulässige Diagnosen. Die werden in der Telematik-Infrastruktur gespeichert. Sie können bestimmen, wer wir für andere sind, wie wir leben sollen. So dass nicht wir unsere Daten verwalten. Informationen steuern uns. Es geht um unser Menschenbild. Im Gesundheitsbereich, und darüber hinaus.
Wir wollen eine neue Diskussion. Es gibt Alternativen. Andere hoch industrialisierte Länder leben ohne zentralistische IT-Strukturen im Gesundheitsbereich. IT-Profis wollen eine gute IT-Infrastruktur, auch im Gesundheitswesen. Das wäre eine, die sehr unterschiedliche Datenhaltungen ermöglicht. Entsprechend der Unterschiedlichkeit der Patienten und Ärzte.
Warum Kandidatur zu den Sozialwahlen 2011 der entscheidende Hebel zur Veränderung ist
Es gibt keine andere Großorganisation, die sich so gegen Einflussnahme von außen abgeschottet hat. Nicht einmal Aldi. Die Krankenkassen stehen über den Gesetzen. Sie planten die neue EGK-Anwendung "Versichertenstammdaten-Management" technisch bis ins letzte Detail, und liessen sie anschliessend ins Gesetz schreiben, zwei Stunden vor dem WM-Spiel gegen Serbien. Neue Gesetze zu Gesundheitswesen werden regelmässig von den Spitzenorganisationen vorformuliert. Und im Bundesministerium und Parlament nur noch umgesetzt. Schon Helmut Schmidt seufzte über "vermachtete Strukturen".
Die Verbände berufen sich auf ihre Selbstverwaltung, die "sachnäher" ist und deswegen besser Bescheid weiss. Unter ihrem Schutzschirm können die Krankenkassen ihre bürokratischen Eigeninteressen verfolgen, immer enger mit privaten Krankenversicherungen und Klinik-Ketten kooperieren. Es gibt in Deutschland mehr Krankenkassen-Angestellte, als Ärzte.
Die Verwaltungsräte der Krankenkassen werden in der Regel nicht gewählt. Bei den letzten Sozialwahlen gab es nur bei acht von damals 340 Krankenkassen eine Wahl. Die Regel sind Einheitslisten der DGB Gewerkschaften. Die Gewerkschaften nutzen ihre Sitze in den Verwaltungsräten zur Auszeichnung verdienter Gewerkschafter. Wenn man dort immer die Hand hebt, sind die Sitzungsgelder ein ordentliches Honorar. Die Wahlordnung für die Sozialversicherung erschwert enorm, dass andere Listen antreten.
Die nächsten Sozialwahlen könnten die letzten sein. Eine Vielzahl von gesetzlichen Krankenkassen sind mit privaten Krankenversicherungen wirtschaftlich eng verflochten. Es gibt die Allianz KKH Krankenkasse, Signal Iduna Krankenkasse, Axa Colonia Krankenkasse, Barmenia Krankenkasse, Continentale Krankenkasse, Debeka Krankenkasse, Securvita. Alles GKV-Krankenkassen, die wirtschaftlich einen Konzern mit privaten Versicherungen bilden.
Große Kassen (DAK, TK) haben Exklusiv-Verträge mit privaten Krankenversicherungen. Die TK gehört zu den Haupttriebkräften der Elektronischen Gesundheitskarte und der Telematik-Infrastruktur dahinter.
Entweder dieses Signal geht von den Sozialwahlen 2011 aus. Oder ein anderes. Jeder entscheidet darüber mit. Heute.
www.freielistemueller.de
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„Freie Liste Mueller“ tritt bei den Sozialwahlen an und sucht weitere Unterstützer
Bei den bevorstehenden Sozialwahlen im Jahr 2011 werden auch Datenschützer aus dem "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" (AKV) und dem "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" (FIfF) antreten, um sich in den Verwaltungsräten der Krankenkassen für Datenschutz und Mitgliederrechte einzusetzen.
Die Datenschützer, die sich in der jungen Initiative "Neuanfang e.V." organisieren, dürfen zu den Sozialwahlen 2011 nicht mit dem Namen „Liste Neuanfang“ kandidieren, und müssen als sogenannte „Freie Listen“ unter dem Namen eines Kandidaten antreten.
"Wir hätten uns spätestens 2008 gründen müssen, um den Namen „Liste Neuanfang“ führen zu dürfen. Ein klarer Fall der Diskriminierung von neuen Kandidaten und ihren Initiativen“, kritisiert Vereinssprecher Jan Kuhlmann. "Da wir wenigstens bei allen Krankenkassen mit demselben Listennamen antreten wollen, werden wir versuchen, überall den Namen „Freie Liste Müller“ zu führen.“
Aber die Zeit drängt und die Initiative benötigt noch weitere Kandidaten mit dem Familiennamen „Müller“ für ihre Anliegen, denn für jede Krankenkasse müssen bis November 2010 bis zu 2000 Unterstützungsunterschriften gesammelt werden.
„Die Kandidaten unserer Initiative werden besonders die Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte kritisch begleiten. Ebenso werden wir uns dafür einsetzen, dass den Patienten die Behandlungs- und Abrechnungsmodalitäten zwischen Ärzten und Krankenkassen zugesandt werden. So soll Wissen entstehen und öffentliche Diskussionen möglich werden. Deshalb werde ich für die AOK Plus kandidieren“, sagt Andreas Schönherr aus Dresden. „Wir suchen momentan noch weitere Unterstützer und es wäre von großem Vorteil für den Wahlkampf, wenn wir auch noch einen Kandidaten Müller finden.“
Nach Angaben der Initiative würden die offiziell verfolgten Ziele Qualitätssicherung und Kostensenkung mit der Elektronischen Gesundheitskarte, aufgrund des Festhaltens an der Idee einer zentralistischen Infrastruktur (Telematik) nicht zum Vorteil der Bürger_innen umgesetzt werden. Man bräuchte eine ganz neue Verständigung über die behutsame Entwicklung geeigneter Kommunikationslösungen, die neben bestehenden Routinen der heutigen Praxis im Gesundheitswesen langsam Raum fassen können, um die die rechtsstaatlichen Erwartungen "ärztliche Schweigepflicht", „informationelle Selbstbestimmung“ und „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ auch in der Praxis einzulösen.
Bei den vergangenen Sozialwahlen wurden nur bei acht von damals 230 Krankenkassen Abstimmungen durchgeführt. Bei allen anderen kamen gewerkschaftliche Einheitslisten ohne Wahlen ins Amt. Bei der AOK Plus, Sachsen/Thüringen, hat bisher bei keiner Sozialwahl eine Wahlhandlung stattgefunden. Dort wird nur eine Abstimmung stattfinden, wenn die Datenschützer ihre Liste, und 1000 Unterschriften von Versicherten dieser Kasse zusammen bekommen.
Pressekontakte:
Jan Kuhlmann, mobil 0151-23278225, jan_kuhlmann@yahoo.de">email
- Vereinsvorsitz „Neuanfang e.V.“ und Kandidat für die Techniker Krankenkasse
Andreas Schönherr, mobil 0163-4045379, schoenherr.andreas@web.de">email
- Kandidat für die AOK Plus (Sachsen, Thüringen)