Die Vision von der totalen Beherrschung des „kranken Lebens“
Beitrag auf dem Podium zur Einführung der e-Card im Gesundheitswesen auf der Veranstaltung Schöne Neue e-Health-Welt? des IPPNW, Frankfurt 23.4.08
von Dr. Ulrich A. Müller, Hess. Landeskammer für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
(Lassen Sie mich eingangs die Position der Hessischen Psychotherapeutenkammer (LPPKJP) referieren, bevor ich mir erlaube, Ihnen dazu noch ein paar Überlegungen anzufügen, die im Kreis der psychotherapeutisch tätigen Kolleginnen und Kollegen diskutiert werden.)
Stellungnahme der Delegiertenversammlung
In einer Resolution der Delegiertenversammlung der LPPKJP Hessen haben sich die Abgeordneten der Kammer im letzten Jahr eindeutig und klar gegen die Einführung der e-Card ausgesprochen.
Für die Delegierten lässt sich kein sinnvoller medizinischer oder psychotherapeutischer Zweck in der Einführung der e-Card erkennen, das Verhältnis der Kosten zum Nutzen ist realistisch überhaupt nicht absehbar, die Kosten übersteigen aber schon jetzt alle bisher angedachten Rahmenvorgaben. Zudem sind sich die psychotherapeutisch tätigen KollegInnen darin einig, dass ein Missbrauch der Daten nicht auszuschließen ist und daher die elektronischen Vernetzungsmöglichkeiten, die sich durch die Einführung der e-Card bisher schon andeuten, ein hohes Risiko darstellen, sodass eine Einführung unterbleiben muss.
Wir hegen also Zweifel an dem Programm der angekündigten Optimierung der Arbeitsabläufe, fürchten – wie die Ärzteschaft auch – eine dramatische Kostenexplosion, die letztlich von Psychotherapeuten, Ärzten und den Patienten zu tragen wäre.
Zudem sehen wir uns in der Verantwortung, die informationelle Selbstbestimmung der Patienten gegen administrative Übergriffe zu verteidigen. Denn hier ist klar, wer krank ist, wird sich nicht zugleich auch noch um den Verbleib seiner Daten kümmern können oder wollen. Ein kranker Mensch muss zuvorderst geschützt werden und kann sich oft nicht damit befassen, wem er welche Zugriffsrechte auf seine Daten zugesteht.
Da ein „gläserne Patient“ und nicht der leibhaftige Mensch als verwertbarerer Datenträger das Ziel der e-Card ist, hegen wir erhebliche Zweifel, inwiefern hier die Fürsorge um das Wohl der Patienten und die Gemeinschaft der Versicherten, nicht in eine wahnhafte Kontrolle umschlägt. Wir befürchten Kontrollmechanismen, die ein Eigenleben entwickeln, deren Dynamik nach Einführung eines e-Goverments nur noch schwer aufzuhalten sein dürfte.
Die Mehrheit der Beteiligten ist sich darin einig, dass die flächendeckende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte enorme Probleme in sich birgt und zu einem schwer zu beherrschenden Instrument zu werden droht. Die Kosten sind immens, der Nutzen ist fragwürdig, die Gefahr des Missbrauchs erheblich. Lassen Sie mich aber kurz einige wenige Aspekte skizzieren, die wir als Psychotherapeuten für besonders problematisch halten.
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