Viele Kassen üben hier im Moment einen massiven Druck auf ihre Versicherten aus, um bis Ende 2012 das politisch erzwungene Limit von 70 % ihrer Versicherten mit e-GKs auszustatten. Ein typischer Brief an e-Card kritische Kassenversicherte sieht im Augenblick so aus:
"Sehr geehrte Frau XY,
Sie haben noch keine neue TK-Gesundheitskarte von uns erhalten.
Der Grund ist, dass Sie uns noch kein Passbild eingereicht haben. Dies ist Voraussetzung dafür, dass wir - wie alle Krankenkassen - dem gesetzlichen Auftrag entsprechend unsere Versicherten mit der elektronischen Gesundheitskarte ausstatten. Was passiert, wenn wir kein Bild von Ihnen erhalten?
Sobald für alle Versicherten die bisherige Krankenversicherungskarte für ungültig erklärt wird, können Leistungen nur noch über die elektronische Gesundheitskarte abgerechnet werden. Ohne die neue Karte kann es dazu kommen, dass Sie für in Anspruch genommene Leistungen eine Privatrechnung erhalten. Diese Kosten können wir leider nicht erstatten. Wir möchten, dass Sie auch weiterhin alle Leistungen in Anspruch nehmen können und bitten Sie deshalb noch einmal, uns Ihr Passbild einzureichen“. Zitat Ende
Dazu Folgendes:
"Privatabrechnung" bei Nichtvorlage der e-GK steht nicht im Gesetz (so wie in den Schreiben der Kassen suggeriert wird) sondern nur im Bundesmantelvertrag Ärzte von 2008 der in 2012 gekündigt wird
Dort steht: Vereinbarung
zum Inhalt und zur Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte
zwischen den Krankenkassen und der KBV
Stand: 22.04.2008
"Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung werden gemeinsam einen Stichtag festlegen, ab dem die Krankenversichertenkarte ihre Gültigkeit verliert."
Kommentar: Da dieser Stichtag noch nicht vereinbart wurde, gelten die KVKs weiter. Bis wann, ist bisher unbekannt. Kann frühestens nach Ausgabe von 100 % e-GKs an die Versicherten geschehen, das heißt, nicht vor Ende 2013, schätzungsweise.
Weiter im BMÄ 2008 Anlage 4:
Nichtvorlage / ungültige Karte
2.1. Kann bei einer Arzt-/Patientenbegegnung im Behandlungsfall die Identität des Versicherten nicht bestätigt werden, oder kann bei einer Arzt-/Patientenbegegnung eine gültige elektronische Gesundheitskarte nicht vorgelegt werden, kann der Arzt nach Ablauf von zehn Tagen eine Privatvergütung für die Behandlung verlangen, die jedoch zurückzuzahlen ist, wenn dem Arzt eine zum Zeitpunkt der Behandlung gültige elektronische Gesundheitskarte bis zum Ende des Quartals vorgelegt wird oder wenn dem Arzt bis zum Ende des Quartals ein zum Zeitpunkt der Behandlung bestehender Leistungsanspruch des Versicherten von der zuständigen Krankenkasse nachgewiesen wird. Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel kann der Vertragsarzt in derartigen Fällen ohne Angabe der Kassenzugehörigkeit mit dem Vermerk "ohne Versicherungs-nachweis" privat verordnen."Zitat Ende
Arztpraxen als Hilfssheriffs der Kassen!"
"Der Arzt ist verpflichtet, im Falle eines Verdachts auf Missbrauch die zuständige Krankenkasse zu informieren und ist berechtigt, die elektronische Gesundheitskarte einzuziehen." Zitat Ende, unglaubliche Planung, die medizinischen Fachangestellten als gefährdete Tresenmannschaft, die den angeblichen "Missbrauchern" gegenüber als Hilfssheriffs auftreten sollen. Bedeutet Gefahr von körperlichen Angriffen auf das Praxispersonal.
Arztpraxen als Außenstellen der Krankenkassen, die Verwaltungskosten der Kassen sollen auf Kosten der Arztpraxen wieder eingespart werden!
"1.3. Von dem Zeitpunkt an, ab dem die technischen Komponenten zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur zur Verfügung stehen, erfolgt die Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkasse des Versicherten durch Nutzung der Onlinefunktion der Telematikinfrastruktur. Die Vertragspartner werden Vereinbarungen treffen, die das Nähere regeln."BMÄ 2008
Das bedeutet im Klartext: Die Arztpraxen müssen sich dauerhaft an die Kassenserver anschließen und bei jedem ersten Praxisbesuch im Quartal die fraglich geänderten Versichertenstammdaten (neue Anschrift, anderer Status,..) online auf die e-GK des Versicherten schreiben lassen, das dauert, das kostet Zeit und Geld und führt dazu, dass sich alle Arztpraxen an die Computer der kranken Kassen anschließen müssen! Auf diesem Wege wird die "Telematikinfrastruktur" installiert, genau das, was seit 5 Jahren alle Deutschen Ärztetage abgelehnt haben.
Aber: das tritt alles erst in Kraft, wenn die Online-Infrastruktur steht, und auch erst dann kann die Sache mit der Privatabrechnung in Kraft treten, aber das ist alles noch lange nicht da!!!
Weitere Zitate aus dem „Bundesmantelvertrag Ärzte“ BMÄ 2008:
(9) Bei Verfügbarkeit und Zulassung der für eine Online-Telematikinfrastruktur benötigten zentralen und dezentralen Komponenten entsprechend den Anforderungen der gematik beginnt die Einführung einer Online-Telematikinfrastruktur bei den Leistungserbringern, nach Maßgabe der erforderlichen, rechtzeitig zu treffenden Vereinbarungen. Dabei ist auch die maximale Einführungsphase festzulegen".
Ersatzverfahren wird es weiter geben!
„2.4. Kann bei der ersten Arzt-/Patientenbegegnung im Quartal die elektronische Gesundheitskarte nicht verwendet werden, kommt ein Ersatzverfahren zur Anwendung. Die elektronische Gesundheitskarte kann nicht verwendet werden, wenn
2.4.1. Der Versicherte darauf hinweist, dass sich die zuständige Krankenkasse oder der Versichertenstatus geändert hat, die Karte dies aber noch nicht berücksichtigt,
2.4.2. die Karte defekt ist,
2.4.3. das Kartenterminal / der Drucker defekt ist,
2.4.4. die Karte nicht benutzt werden kann, weil für Hausbesuche kein entsprechendes Gerät zur Verfügung steht und keine bereits in der Arztpraxis mit den Daten der elektronischen Gesundheitskarte vorgefertigten Formulare verwendet werden können."BMÄ 2008
Der BMÄ aus 2008 ist überholt, veraltet, wird in 2012 geändert und steht außerdem nicht, wie die Kassen behaupten" im Gesetz".
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2012 fordert von der KBV-Führung, den BMÄ von 2008 zu ändern und den Absatz zum "Online Versichertenstammdatenmanagement“ zu streichen! Dieser Beschluss muss von der KBV umgesetzt werden!!!
Auf Antrag von Dr. Axel Brunngraber(Freie Ärzteschaft), Dr. Wolfgang Bärtl (BFAV) und weiteren KBV-Delegierten wurde am 21.5.2012 beschlossen:
"Bei der anstehenden Neuverhandlung des Bundesmantelvertrages Ärzte ist die darin bislang enthaltene Verpflichtung der Vertragsärzte zum Online-Versichertenstammdatenmanagement der elektronischen Gesundheitskarte zu streichen."Zitat Ende, Beschluss KBV-VV 21.5.2012 in Nürnberg
Zusammenfassung:
Die Kassen üben massiven Druck auf die Versicherten aus, mit unhaltbaren Argumenten. Der Versicherungsschutz an sich ist überhaupt nicht abhängig von Karte oder Foto. Und bisher gelten die alten und die neuen Karten noch und der Bundesmantelvertrag Ärzte aus 2008 ist umstritten und muss entsprechend neuer Beschlüsse geändert werden.
Dr. Silke Lüder